Meyra Krankenfahrstühle

Die Firma Meyra aus Vlotho in der Nähe von Bad Oeynhausen ist einer der größten Hersteller von Rollstühlen und Behindertenfahrzeugen der Welt. Meyra-Fahrzeuge sind am häufigsten in meiner Sammlung von ca. 30 meist motorisierten Rollstühlen vertreten.

Neben unzähligen Hand- und Faltfahrern wurden dort auch einige interessante kleinwagenähnliche Fahrzeuge von 1936 bis heute entwickelt. Der Firmengründer, Herr Wilhelm Meyer, war eine sehr faszinierende Persönlichkeit. Voller Ideen arbeitete er noch im hohen Alter jeden Tag regelmäßig in seiner Firma, die mit ca. 1500 Mitarbeitern weltweit vertreten ist. Er verstarb im Jahr 2000 im Alter von 91 Jahren. Ich werde ihn in bester Erinnerung behalten.

Meyra Typ 48

Besonders hohe Verbreitung erfuhr der Typ Meyra 48, ein Dreirad mit 100 bis 250 ccm Motor. Ein typisches Merkmal für ihn ist der sogenannte „Schwiegermuttersitz“ zum Herausklappen.

Der Meyra 48 hat 4 Rückwärtsgänge, was durch Umpolen bzw. Rückwärtsanlassen des Motors erreicht wird (wie auch beim Messerschmitt KR200). Die Höchstgeschwindigkeit mit 10 PS liegt bei ca. 70 km/h.

Die folgenden Bilder zeigen ein weiteres, äußerst seltenes Meyra-Dreirad, das Baujahr ist leider unbekannt. Ein offenes, zweisitziges Fahrzeug mit Spaßfaktor und Trikefeeling. Es handelt sich wahrscheinlich um einen der zahlreichen 48er-Typen. Die erste Abbildung entstand vor der Restaurierung, die zweite zeigt dasselbe Fahrzeug nach komplettem Neuaufbau.

  • Motor: Ilo Zweitakt-Einzylinder-Motor
  • Hubraum: 250ccm
  • Leistung: 9 PS

Der nachfolgende Oldtimer, vorne Motorrad, hinten Automobil, ist ebenfalls eines der 48er Typen der Firma Meyra, in einem schönen, unrestaurierten Originalzustand.

Bemerkenswert ist die Technik, die in diesem Trike steckt, und es macht einen Riesenspaß, damit umzugehen und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Der Motor wird nicht mit einem Dynastarter, sondern einem richtigen E-Anlasser gestartet. Ebenso verfügt er über eine separate Lichtmaschine. Diese drei Vorwärtsgänge, geschweige dem Rückwärtsgang, zu schalten ist eine Herausforderung. Nur wer weiß, was es mit dem Zwischengas auf sich hat, sollte sich auf das Abenteuer einlassen, diese Fahrmaschine zu bewegen. Als Sammlerobjekt ist der Meyra eine echte Bereicherung für meine Sammlung und freut sich, unter weiteren skurrilen Fahrzeugen dieser berühmten Firma zu stehen.

  • Baujahr: 1951
  • Motor: Ilo 1 Zylinder 2-Takt
  • Hubraum: 246 ccm
  • Getriebe: 4 Gänge
  • Leistung: 9 PS
  • Höchstgeschwindigkeit: 60 Km/h

Meyra Typ 49a

Der hier abgebildete wurde von einer querschnittgelähmten Frau gefahren, die damit ihren Lebensunterhalt verdient hat. Sie schenkte mir das Fahrzeug vor einigen Jahren, und bewegt seitdem einen modernen Elektrorollstuhl. Skurril mutet heute der hintere zweite Sitz an, ein echter Sozius, wie bei einem Motorrad. Da wenig gefahren, befindet sich dieses Meyra-Dreirad in bestem Originalzustand.

  • Baujahr: 1965
  • Hubraum: 50 ccm
  • Motor: Sachs Zweitaktmotor
  • Höchstgeschwindigkeit: 40 km/h

Diese lustige Aufnahme eines werksrestaurierten 49a entstand in den 80er Jahren, als Meyra noch am Stammsitz in Vlotho produzierte. Der Fahrer zeigt deutlich sein Erstaunen und scheint verblüfft, als würde er sagen „wow, welch geiles Teil“! Ist er ja schließlich auch, oder?

Meyra Typ 55

Auch der Typ 55 ist äußerst selten und ist ein gutes Beispiel für die Kleinwagen- oder PKW-Ähnlichkeit von Krankenfahrstühlen.

  • Baujahr: 1953
  • Hubraum: 248 ccm
  • Leistung: 8,5 PS
  • Motor: Einzylinder Baker & Pölling Zeitaktmotor
  • Höchstgeschwindigkeit: 70 km/h
Meyra Typ 55 (Werksfoto)

Das Besondere am 55er ist der seltene Baker & Pölling Motor. Diese merkwürdigerweise wenig bekannte Firma im hohenlohischen Niedernhall baute Stationärmotoren, und vor allem Motorsägen. Getriebe und Differenzial steuerte die Firma Hurth bei. Der Motor verfügt über einen richtigen Anlasser sowie eine separate Lichtmaschine, wie bei einem richtigen Auto eben. Nur ein rundes Lenkrad vermisst man bei allen motorisierten Rollstühlen — Bedienungshebel lassen sich nur an Motorradlenkern befestigen.

Meyra Typ 55 Roadster

  • Baujahr: 1952
  • Motor: 248 ccm Baker & Pölling, Einzylinder, Zweitakt, 8,5 PS, luftgekühlt
  • 6 Volt Anlasser / Lichtmaschine
  • Getriebe: Hurth, 3 Vorwärtsgänge, ein Rückwärtsgang
  • Geschwindigkeit: 70 km/h
  • Tachostand: 3560 km
  • Produktionszahl: ca. 330 Stück (Sept. ’52 bis Okt. ’53)
  • Preis: 3300 DM

Besonderheiten: Ein gutes Beispiel für die hochwertige KFZ-Fertigung der Fa. Meyra in der schwierigen Nachkriegszeit. Stahlblech-Karosserie mit Stahlrohrrahmen verschraubt. Voll faltbares Roadsterverdeck (Staubbezug fehlt z.Zt. noch).
Seitentüren auch aus Verdeckstoff. Große Windschutzscheibe mit elektrischem Scheibenwischer.

Holz-Armaturenbrett mit Rundtachometer, P&S – Licht Kombischalter mit Zündschloss, Beleuchtungsanlage wie bei einem großen PKW, Auf – und Abblendlicht, Blinker, Hupe, Bremslicht, Kennzeichenbeleuchtung. 2 Sitze nebeneinander. Riesiger „Kofferraum“ mit Reserverad. Einzelradaufhängung. Alle drei Räder sind mit Torsionsblattfedern bestückt.

4 Hardyscheiben an den Antriebswellen sorgen für geschmeidiges Anfahren. Bei den meisten Fahrzeugen dieser Kategorie ist nur ein Hinterrad angetrieben. Durch die breite Spur war hier aber ein Differential erforderlich, das an den Baker & Pölling Motor mit einem Alu Kettenkasten angeflanscht ist. Die Kette läuft im Ölbad. Die Räder sind mit 13 Zoll vergleichsweise groß dimensioniert.

Bedingt durch einen Motorschaden, der damals nicht repariert wurde, stand der Meyra ca. 65 Jahre im Trockenen. Daher ist auch der Lack in einem hervorragenden Originalzustand. Verdeck und Reifen mussten natürlich erneuert werden, sowie alle Chromteile. Die Sitzbank ist noch die Erste.

Im Rahmen der kompletten Revision des Fahrzeugs konnte der Motorschaden behoben werden. Motor und Getriebe wurden fachmännisch komplett zerlegt, alle Dichtungen ausgetauscht, Kurbelwelle überholt, Zylinder ausgeschliffen und mit neuem Kolben bestückt. Der B&P sprang sofort an, die erste Ausfahrt nach so vielen Jahren im Dornröschenschlaf verlief problemlos. Die zeitlich richtige Bedienung der zahlreichen Hebel am Lenker ist allerdings eine Herausforderung. Sinnigerweise ist die M-Form des Lenkers von der Firma Meyra bewusst so gewählt worden.

All das macht den Meyra 55 zu einem vollwertigen Kleinwagen. Außerdem ist er eine echte Rarität, der Zweite, der bisher in den Jahrzehnten des Aufbaus der Vehikelsammlung aufgetaucht ist. Der oben abgebildete, restaurierte Lindgrüne, ist eine etwas spätere Ausführung, daher mit Türen und Einsteckscheiben ausgestattet.

Meyra Typ 56

Seit Ende 2010 in der Sammlung ist ein Meyra Typ 56, Baujahr 1962, mit einem 10 PS Sachs Motor, Höchstgeschwindigkeit 60 km/h. Auch er hat 4 Vorwärtsgänge und 4 Rückwärtsgänge, durch das Umpolen und rückwärts Anlassen des Motors! Ein sehr seltenes, skurriles Fahrzeug aus der Meyra Fahrzeugschmiede Vlotho.

Er war nur 4000 km gelaufen, war dann von Jugendlichen mit weißer Dispersionsfarbe über und über gepinselt worden, um beim Karneval als Jux-Fahrzeug zu dienen. Nach mühsamem Ablösen kam wunderschöner Originallack zum Vorschein. Der Motor befand sich in fantastischem Zustand und wurde komplett überholt. Auch die Chromteile wurden erneuert. Nun steht er in altem Glanz und wird hin und wieder gefahren, was stets viel Aufmerksamkeit erregt.

Meyra Typ 250

  • Baujahr: ca.1949
  • Motor: Einzylinder Ilo Zweitaktmotor,
  • Hubraum: 250 cm
  • Leistung: 6 PS
  • Getriebe: 3 Vorwärts-, 1 Rückwärtsgang, elektr. Dynastarter
  • Höchstgeschwindigkeit: 60 km/h
  • Besonderheit: Zwei Sitze nebeneinander

Die erste Abbildung zeigt das Fahrzeug in erbarmungswürdigem Zustand vor der Restaurierung. Der Typ 250 ist sehr selten; bisher ist kein zweiter dieser Baureihe aufgetaucht.

1974 entdeckte ich es zufällig beim Vorbeifahren auf einem Bauernhof. Gerade in diesem Moment wollte man dem Meyra mit einem Trennschleifer zu Leibe rücken. Noch nie habe ich eine solche Schnellbremsung hingelegt!

Die 2013 begonnene Restaurierung ist noch nicht ganz abgeschlossen. Nach einigen Restarbeiten wird er zum Leben erweckt und gefahren werden. Da keinerlei Pedale vorhanden und die Bedienelemente vertauscht sind, wird der erste Start, wie immer mit einem so ungewöhnlichen Gerät, ein Abenteuer sein. Wer nicht weiß, was es mit dem sog. Zwischengas auf sich hat, wird mit dem Getriebe Ärger bekommen. Beim Lastwechsel muss etwas gegengesteuert werden, da nur ein Hinterrad mit einer Kette angetrieben ist. Ich kann die erste Tour mit dieser skurrilen Fahrmaschine kaum erwarten.

Seltene Meyra-Typen

Als verschollen gelten jedoch die Fahrzeuge vom Typ Meyra 200 und Meyra 201, von denen sich bisher noch keines in meiner Sammlung befindet. Kein Exemplar scheint davon erhalten geblieben zu sein. Eine Sensation, wenn doch eines auftauchen würde! Ich bin für jeden Hinweis dankbar.

Meyra 200
Meyra 201

Auf Wunsch jedoch lieferte Meyra Fahrzeuge für den Normalgebrauch auch mit Lenkrad, wie man auf der folgenden Aufnahme sieht.

Meyra ist absolut auch ein Automobilhersteller gewesen. Firmengründer Wilhelm Meyer kann meiner Meinung nach durchaus als einer der deutschen Pioniere des Kraftfahrzeugbaus bezeichnet werden. Diesen hübschen Sportwagen (Abb. Werksfoto), von dem nur zwei gebaut wurden, fuhr seine Frau mit Stolz. Beide sind damals leider definitiv verschrottet worden, sehr bedauerlich! Dieser 55er hatte noch eine Holzkarosserie, die mit Kunstleder bespannt war, wie einige frühe DKW Typen.